Damals und Heute Immer am Anfang des Advents bekamen wir den elterlichen Rat, einen Wunschzettel an das Christkind zu schreiben. Schreiben war da ein großes Wort. Wir drei Kinder waren des Schreibens noch nicht mächtig, als wir noch daran glaubten, dass es das Christkind war, das die Geschenke klammheimlich unter den Weihnachtsbaum legt und dann nach getaner Arbeit, ohne dass wir es hätten sehen können, wieder verschwand. |
Deshalb holten wir ein großes weißes Blatt Papier, natürlich für jeden eins, und teilten es mit Lineal und Stift in mehrere Kästchen. Je länger die Wunschliste, desto mehr Kästchen wurden vorsorglich eingerichtet.
Aber es durften auch nicht zu viele sein, damit das Christkind nicht den Überblick verliert. In das erste Kästchen gleich oben links kam der sehnlichste aller Wünsche. Eine Puppe, die pullern konnte, einen Roller, neue Buntstifte. So füllte sich Kästchen für Kästchen, und manchmal kam es sogar vor, dass man die eigene Wunschliste überschätzt hatte und trotz angestrengten Kopfzerbrechens einige Kästchen leer blieben. Nach Abgabe der Wunschzettel an die Eltern – denn nur sie konnten sie dem Christkind persönlich übergeben – hieß es warten. Und brav sein. Ob das wirklich eine Forderung des Christkinds war, blieb ein Geheimnis, zeitigte aber Wirkung.
An Heiligabend hatte das Christkind dann ganze Arbeit geleistet. Nicht alle der aufgemalten, aber längst vergessenen Wünsche hatte es erfüllt. Dafür hatte es Dinge unter den Baum gelegt, die alle Erwartungen übertrafen.
Heute schreibe ich keine Wunschzettel mehr, und meine Wünsche richte ich nicht ans Christkind meiner Kindheit. Das Christkind ist groß geworden, ich nenne es Gott, Vater, Jesus, Heiliger Geist ... doch eins ist geblieben: Es übertrifft immer wieder meine Erwartungen.
Andrea Wilke, in: Pfarrbriefservice.de; Grafik: Sarah Frank, Factum/ADP, in: Pfarrbriefservice.de